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Immer noch ne Windel um? Die Sache mit dem Trocken werden.

„Ist er/sie schon trocken?“ ist ja neben „Schläft er/sie schon durch?“ und „Stillst du (etwa) noch?“ in der Rangliste der nervigsten Muddi-Fragen auch ganz weit vorne. Eigentlich, wenn ich mir das recht überlege, darf sie auf keinem Muddi-Bullshit-Bingo-Zettel fehlen. (Anm.: Gibt es das schon, Muddi-Bullshit-Bingo? Vielleicht sollte ich mir mal einen Bogen ausdenken, so als Freebie, zum Download. Weitere Schlagsätze wären zum Beispiel „Ist nur ne Phase.“ oder „Na warte mal ab, bis dein Kind auch in dasunddas Alter kommt.“ und „Oh, macht er /sie gerade einen Sprung?“ Was sind denn eure Lieblings(hass)phrasen? Gerne her damit, ich nehm sie direkt mit auf.) Aber erstmal zurück zur Windel.


Tatsächlich frage ich mich, warum mehr oder weniger fremde Personen sich überhaupt so explizit nach den Verdauungsgepflogenheiten meiner Kinder erkundigen, meist ja sogar schon bei einem zufälligen Treffen auf offener Straße. Wie wäre das wohl, jemandem zu begegnen, den man vielleicht nur ganz flüchtig kennt, und ihn nicht nur zu fragen, wie es denn so geht („Ja gut, danke, muss ja.“) sondern auch ein „Und, wie pinkelst du so in letzter Zeit?“ hinterher zu schieben.

 
Noch schlimmer ist allerdings die Wertung, die bei dieser Frage auch unausgesprochen mitschwingt. Meist in Form eines bedeutungsschwangeren Blickes oder eines wissenden Nickens „Ja, mmh, kenn ich. Also meine/r…“ oder „Aber bestimmt jetzt im Sommer…“ und „Jungs sind ja IMMER später dran als Mädchen.“ (Hach, Sätze mit „NIE“ und „IMMER“ – toll!) Also, warum bitte spielt es denn überhaupt eine Rolle, wann genau das Kind es schafft, selbstständig zu erkennen, dass es aufs Klo muss? Ich meine, muss man das wirklich in ein bestimmtes Alter oder einen Zeitraum pressen? Weiß denn irgendwer beispielsweise mit 14 besser, dass er mal aufs Klo muss, nur, weil er vielleicht ein paar Wochen oder Monate eher in der Lage war, die entsprechenden Signale seines Körper zu deuten? Oder kann er vielleicht sogar besser pinkeln als ein anderer?

Und dann ist da ja noch die Art und Weise des Trocken werdens. Offenbar gibt es ja immer noch Leute, die das sogenannte 3-Tage-Töpfchen-Training verherrlichen („Schnell windelfrei, selbst bei sturen Kindern“ – brrrr, da stellen sich mir die Nackenhaare auf!!! Sture Kinder? Ja klar, die gehen ja nur nicht aufs Klo, um ihre Eltern zu ärgern. Oh man, ist das gruslig.) Ich meine, ernsthaft? Man kann doch auch kein Kind zwingen, ab sofort zu sprechen, zu krabbeln, zu drehen, zu laufen oder einzuschlafen. Auch nicht, wenn man sich auf den Kopf stellt, rückwärts barfuß durch den Schnee läuft, den Töpfchentanz tanzt, das Blaue vom Himmel oder das Bobbycar ausm Spielzeugladen verspricht oder – am schlimmsten – mit irgendeiner Form von Konsequenz droht.

Und dann gibt es noch die Fraktion, die sagt, man soll aber bloß nicht loben, wenn es geklappt hat. Schließlich sei das ins Klo pinkeln ja ganz normal und man würde ja auch nicht loben, wenn das Kind atmet. Nee, ich lobe natürlich nicht jeden Atemzug meines Kindes, aber den ersten fand ich schon ziemlich super und hab das auch – emotional davon ziemlich mitgenommen – tränenreich und mit zitternder Stimme geäußert. Und dann klappte sie ja tatsächlich recht schnell von alleine ganz gut, die Sache mit dem Atmen. Und so isses hier eben auch mit dieser Klo-Geschichte. Natürlich lobte ich ihn anfangs (und tue es auch jetzt noch), wenn es geklappt hat. Warum auch nicht? Ich feiere ja nicht jedes Mal ne Riesenfete mit Partyhütchen, Geschenken und Polonaise, sondern freue mich schlicht und ehrlich mit ihm und motiviere ihn dazu, das zu wiederholen. Und siehe da, sie klappt inzwischen auch schon recht gut, die Sache mit dem Klo.

Und jetzt entschuldigt mich, ich muss eben…

 

Liebst,

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5 Kommentare

  1. Guter Beitrag zum Thema Stillen. Interessant, dass ihr 1000 Tage gestillt habt und die ersten 14 Tage du ununterbrochen an der Milchpumpe gehangen hast. Ich erwarte gerade auch mein erstes Kind, deshalb überlege ich, welche Milchpumpe ich mir zulegen soll.

  2. Liebe Judith, wie schön du es geschrieben hast, du sprichst mir aus dem Herzen! Ich stille nun seit 19 Monaten, egal wo ich bin, Familie, Freunde oder Fremde, stets muss ich mich rechtfertigen. Mein kleiner Mann ist sehr sensibel und bekommt so seine Sicherheit. Bin gespannt, wie lange wir diese „Still-Reise „ noch machen und solange Genies Ich noch die gemeinsame Nähe. Danke für die schönen Zeilen ❤️

    • Und ich danke dir für diesen lieben Kommentar, ich freue mich wirklich sehr darüber! Alles Liebe für euch!

  3. Liebe Judith, ich bin über deinen Abstillbericht gestolpert und wollte ein paar Worte hier lassen. Ich habe meine Jüngste, jetzt 4,5 Jahre alt, bis zum 4. Geburtstag gestillt. Und sie war echt noch süchtig. Sie ist ein picky eater und seitdem ernährt sie sich von 8-10 Lebensmitteln, zu denen nicht unbedingt Obst und Gemüse gehören. Das hat mich schon mehr gestresst als das Stillen. Und die unbeteiligten Beobachter hatten mir doch prophezeit, dass das Kind „nach dem Abstillen endlich essen wird“. Tut sie nicht. Und ich bedauere immer noch, gegen den Wunsch meiner Tochter abgestillt zu haben, sie ist seitdem viel häufiger und schwerer krank mit sehr hohem Fieber bei allen möglichen Keimen.
    Jedenfalls, du siehst, ich hadere nach einem guten halben Jahr immer noch und wünsche mir, dass jede Frau selbst bestimmen darf, ob und wie lange sie stillt. Ohne ungewollte Kommentare von völlig Unbeteiligten. Die einzigen, die es – wie bei euch beiden – regeln müssen, sind Mutter und Kind. Ich hoffe, dein Beitrag macht Müttern Mut, ihrem Bauchgefühl zu vertrauen.
    Liebe Grüße, Steffi

    • Liebe Steffi, tausend dank für deinen lieben Worte und das Teilen deiner Erfahrung. Hach, wenn es doch nur leichter wäre, auf das eigene Bauchgefühl zu vertrauen und sich nicht von den Worten anderer beeinflussen zu lassen, oder? Niemand steckt in deinen Schuhen, deiner Lage, kennt deine Familie so gut wie du selbst. Daher hoffe ich mit dir, dass viele Mütter (und Eltern) da draußen es schaffen, ein bisschen mehr auf die eigene Stimme zu hören.

      Alles Liebe für euch,
      Judith


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