Meine Herren, war ich vielleicht aufgeregt, als ich mich das erste Mal traute, hier von unseren Erfahrungen, von unserem Brülläffchen zu erzählen. Ich habe gedacht, ich werde für meine Sorgen belächelt, vielleicht nicht ernst genommen, vielleicht stelle ich ich ja auch tatsächlich nur an. Soll sich mal nich so haben, die Alte. Babys weinen nun mal. Und sie wollte ja unbedingt noch eins. Tja, so kann man sich irren.
Weit gefehlt, denn es kam anders.
Gelinde gesagt war euer Feedback so enorm, dass ich es anfangs kaum glauben konnte. So viele liebe Worte, soviel Trost, Mutgemache und Optimismus – ich war (und bin immer noch) überwältigt.
Und Milla, Milla war eine der ersten, die mir schrieb. Sie erzählte mir von sich, schenkte mit Hoffnung, machte mir Mut. Tröstete mich. Wieder und wieder. Und sie verstand.
Die Monate vergingen und mich erreichten immer mehr Nachrichten von Eltern, die sich bei mir bedankten für meinen Mut und meine Ehrlichkeit, hier auch mal abseits von eitel Sonnenschein über die Schattenseiten, die dunklen, die lauten zu berichten. Sie wären so froh, zu lesen, dass es anderen auch so erginge und sie nicht allein seien mit ihrem Problem. Da kam mir eine Idee.
Ich glaub, wir sind viele.
Ich fragte Milla, ob sie nicht Lust hätte, ihre Geschichte mal aufzuschreiben. Zu teilen, was sie erlebt hatte, zu erzählen, wie es ihr und ihrer Familie ergangen war. Damit noch einmal deutlicher wird, wir sind nicht allein. Wir sind viele. Und Milla wollte.
Liebe Milla, ich danke dir für deine Unterstützung von der ersten Minute an. Für all deine lieben Worte, dein Verständnis und fürs Teilen deiner, eurer Geschichte. <3!
Ich bin da für dich,
mein Schreibaby
dunklen Augen an. Fast so, als würde sie mir im nächsten Moment etwas erzählen wollen. Bereits im Krankenhaus schlief sie sehr wenig, war lange und oft wach und kam nachts nur ganz fest an mich gekuschelt zur Ruhe. Die Kaiserschnittnarbe schmerzte noch sehr und trotzdem drängte ich auf eine schnelle Entlassung. Ich wollte endlich nach Hause und mich mit Nola in unser Familienbett kuscheln und gemeinsam mit ihr in unserer kleinen Familie ankommen. An die ersten Tage zu Hause erinnere ich mich nur noch recht verschwommen. Meine Oma war zu Besuch und half uns dabei in den neuen Alltag zu viert zu finden. Es tat mir sehr gut, dass Sie da war und mit Mio spielte. Nola war nach wie vor sehr oft wach und beobachte das Treiben um sich herum mit ihren großen, braunen Augen. Beim Stillen verschluckte sie sich sehr oft und trank immer nur kurz, dafür aber ziemlich oft. Sonst war sie sehr ruhig. Mein Mann und scherzten anfangs noch, dass wir vielleicht doch eines dieser Kinder bekommen haben, das so nebenher läuft. Wo doch Mio schon von Geburt an immer sehr starke Bedürfnisse hatte, das erste Jahr nur in der Trage lebte und auch zum Zeitpunkt von Nola Geburt noch sehr stark an uns und vor allem mich gebunden war.
Abend in ein unsägliches, mehrstündiges Schreien. Anfangs glaubten wir an die sogenannte abendliche „Schreistunde“, in der das Baby den Tag und all die vielen Eindrücke und Reize verarbeitet. Ich hielt mein strampelndes, sich windendes Mädchen im Arm. Das Schreien war schrill und ohrenbetäubend. Ich versuchte Sie ins Tuch zu binden, doch Ihr ganzer kleiner Körper bebte und wehrte sich einfach gegen alles. Nicht mal stillen half uns aus dieser unerträglichen Situation heraus. Irgendwann schlief mein kleines Mädchen nass geschwitzt und erschöpft auf meinem Arm ein. Sie atmete schwer. Ich sank völlig
erschöpft aufs Bett.
ich mich immer weiter zurück. Meinen Rückbildungskurs musste ich bereits nach dem ersten Mal abbrechen. Nola ließ sich nicht ablegen und schrie fast durchgehend, auch auf meinem Arm. Das kannte ich auch schon von Mio damals und bewunderte wieder einmal die Babies, die seelenruhig schliefen, während die Mamas sich um ihren Beckenboden kümmern konnten. Mein Beckenboden musste auch bei meinem zweiten Kind warten, denn bei uns war das einfach undenkbar. Ebenso erging es mir mit meinem Babymassage-Kurs und mit meinem Yoga-Kurs. Zu viele Reize für Nola, die sie mit noch längerem Schreien am Abend verarbeitete. Das war es mir einfach nicht wert. Und trotzdem sehnte ich mich nach Austausch, nach Treffen mit anderen Mamas. Das war bei Mio ein so wichtiger Anker und es entstanden tolle Freundschaften in der Zeit. Nola hat leider so gut wie keine Freunde aus ihrer Babyzeit, was mich auch nach über 2 Jahren noch traurig stimmt.
weinend in den Armen, wenn beide Kinder schliefen, manchmal schafften wir es noch den nächsten Tag zu besprechen. Manchmal machten wir auch einfach nichts und versuchten in der Stille der Nacht Kraft zu tanken. Denn nachts war es sehr ruhig bei uns. Die einzige Zeit am Tag, in der kein Schreien zu hören war.
wahr? Würde diese Zeit die Geschwisterbeziehung negativ beeinflussen? Ich weiß noch genau, wie ohnmächtig ich mich fühlte und gleichzeitig wusste ich, dass wir Hilfe brauchen. Ich brauchte endlich Hilfe, denn ich machte mir auch große Sorgen. Was, wenn Nola ernsthaft krank war? Ein Ärztemarathon begann. Erst berichteten wir dem Kinderarzt, der mich glücklicherweise gleich ernst nahm. Ich war erleichtert, denn so verständnisvoll reagierte nicht jeder, dem wir von unserer Situation berichteten. Oft ernteten wir Unverständnis und Ungläubigkeit. Freunde und Familie bewerteten einzelnen Situationen, in denen Nola mal nicht weinte und schienen uns nicht zu glauben. Wir bekamen die Überweisung für die Schreiambulanz und für den Osteopathen. Letzterer konnte nichts finden. Obwohl sich diese Nachricht eher wie ein „leider“ anfühlte, denn ohne Diagnose kann es auch keine Behandlung und damit Linderung geben.
stand unter anderem „die Mutter hat einen sehr innigen, liebevollen Umgang mit ihrer Tochter…“. Sie hörten mir zu und ich erzählte und erzählte – von den letzten Wochen, von Mio, von meiner Hilflosigkeit, von meinem Wunsch eine gute Mutter für mein Kind zu sein. Zunächst einmal stellten Sie gemäß meiner Erzählungen fest, dass Nola tatsächlich ein Schreibaby war. Dieses schreit per Definition an mindestens 3
Tagen in der Woche mehr als 3 Stunden und das über einen Zeitraum von mindestens 3 Wochen. Mindestens 3 Stunden an 3 Tagen…was für ein Witz…bei uns war es so viel länger.
eine Mama doch verdammt noch mal können. In der Schreiambulanz lernte ich, dass es nicht an mir liegt und ich einfach nur für Nola da sein kann. Es ging nicht um Schuld und das zu verstehen war sehr schwer für mich. Die Psychologin berichtete von Eltern, die ihr Kind nicht annehmen konnten, weil es so viel schrie. Doch mir ging es nie so. Zum Glück. Ich war so froh mein kleines Mädchen zu haben. Sie konnte ja auch nichts dafür und war in dieser schrecklichen Situation gefangen.
dachte ich, ich schaffe es nicht mehr und bin unendlich froh, dass meine Oma uns so viel half.
wie vor sehr. Ich hätte ihm so gerne diese Last genommen, doch schließlich kämpfte ich selber Tag für Tag darum nicht durchzudrehen oder den Kopf zu verlieren.
immer mehr, bis der Kopf fast schon schief hängte. Ich recherchierte weiter und stieß eines Abends auf einen Artikel über das KISS Syndrom (Kopfgelenk induzierte Symmetrie Störung). Als ich am nächsten Tag die Psychologin in der Schreiambulanz dazu befragte meinte diese, dass dieses Krankheitsbild sehr
umstritten sei und die klassische Schulmedizin die Existenz anzweifelt. In meiner Situation konnte ich jedoch nichts unversucht lassen und vereinbarte einen Termin bei einem Kiss Experten in München (in unserem Fall ein anerkannter Orthopäde).
ehrlich, in unserer Situation hätte ich fast alles gemacht. Nach einem ausführlichen Gespräch zum Stillen, zur Geburt und zu unserem Alltag untersuchte der Arzt Nola sehr genau und stellte ebenfalls Nolas schiefe Kopfhaltung. Mit der sogenannten Atlastherapie bei der mit dem Mittelfinger ein
schneller Impuls in Richtung des Atlas ausgeübt wird wurde Nola behandelt. Ein Eingriff, der Sekunden dauerte, aber man konnte danach tatsächlich sofort eine Besserung erkennen. Zum ersten Mal konnte Nola ihren Kopf problemlos in beide Richtung drehen. Das Schreien wurde etwas besser, aber noch immer kamen wir auf mehrere Stunden am Tag.
die Zeit weitestgehend in unserer Ferienwohnung, um Nola nicht zu überreizen. Das klappte mal besser und mal schlechter. Das Schreien war immer noch unser täglicher Begleiter, aber die Phasen waren nicht mehr ganz so lang. Ich schöpfte Hoffnung, dass nach unserer Rückkehr endlich Normalität einkehren
würde. Und ja, nach ungefähr 4,5 Monaten wurde es allmählich besser. Das Schreien veränderte sich mit der Zeit. Was blieb war das Grundrauschen an innerer Unruhe bei unserer Tochter und manchmal merkt man diese auch jetzt noch mit fast 2,5 Jahren. Wenn es ihr nicht gut geht scheint es, als würde sie in alte
Schreimuster zurückfallen. Dann ertönt ihr Schreien sehr schrill und sie lässt sich kaum beruhigen.
starke Bedürfnisse, die wir mit all unseren Möglichkeiten sehen und auf die wir eingehen. Ich würde trotzdem sagen, dass die beiden eine ganz normale Geschwisterbeziehung haben. Sie streiten, sie kuscheln, sie spielen zusammen und haben ein starkes Band, was sie hoffentlich für immer verbindet.
Wunden, wenn sie auch nichts ungeschehen machen kann. Das beklemmende Gefühl der Ohnmacht weicht so langsam und es macht sich Zufriedenheit breit. Ich habe wieder begonnen zu Laufen und schaffe es endlich wieder mehr für mich zu sorgen. 2 Jahre nachdem ich zum zweiten Mal Mama geworden bin ist es soweit, ich fühle mich angekommen und habe meinen Frieden mit unserer schwierigen Anfangszeit geschlossen. Für Nola, für mich und für uns als Familie.
Liebst,
2 Kommentare
Danke für diesen ehrlichen Bericht! Wunderschön, wie ihr eure Kinder begleitet!
Bei meiner Kleinen wurde nun ebenfalls eine Atlastherapie empfohlen. Daher ist es gut zu wissen, dass dies bei deinem Baby so erfolgreich war. Das gibt mir ein wenig Mut.