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Was mit Katzen.
Böse Zungen behaupten, ich hätte mir die Katzen nur zugelegt, weil ich ja sonst nicht mehr viel zu erzählen hätte. Abgesehen davon, dass diese Leute völlig Recht haben, geschah es jedoch aus einem ganz anderen Grund. Mir war nämlich aufgefallen, dass diese felinen Wesen rund 7/8 des gesamten Contents im Internet für sich beanspruchen – lapidar abgetan und zusammengefasst unter dem Decknamen Cat Content – und ich wollte wissen, was es damit auf sich hat und mit welcher Berechtigung sie das tun. 

Soviel zum Hintergrund, ich bin also schnurstracks losgestiefelt, um Kater zu holen. Zwei sollten es sein, denn n=1 bringt ja – oho, auch ich habe irgendwas mit Marketing studiert – keine validen Ergebnisse. Ich fuhr nach Buxtehude (die Berlinerin in mir kichert noch immer jedes Mal hysterisch bei dieser Ortsbezeichnung) und sah sie mir an, die Fellnasen, Himbeerpfötchen und Schnurrpopos, wie sie in sämtlichen Foren von ihren „Dosis“ genannt werden (übrigens brauchte ich eine Weile, ehe ich begriff, dass das von „Dosenöffner“ abgeleitet ist und sich das Netz nutzende Katzenbesitzer tatsächlich selber so nennen. Freiwillig.)
Nun, da waren sie also, die beiden Samttatzen, 12 Wochen alt, maunzend. Angetan von ihrer Panik, die sie immer wieder zornig fauchend gegen Tische und Wände laufen ließ, ich entschloss mich, sie mit nach Hause zu nehmen. Tagelang dachte ich darüber nach, welche Namen ich ihnen geben könnte. Zuerst favorisierte ich „Testobjekt A“ und „Testobjekt B“, aber das schien nach zwei-, dreimaligem Proberufen doch etwas hölzern und ein wenig zu unpersönlich, schließlich wollte ich den beiden ja – rein aus Testzwecken, versteht sich – eine persönliche Bindung vorgaukeln. Die Suche nach katzengeeigneteren Katzennamen gestaltete sich jedoch schwierig. Auf famos animierten und hübsch bunt flackernden Homepages fand ich nur Namen wie Minka, Tinka, Taps und Tobi, das allerdings blieb mir aus eigennützigen Gründen verwehrt – schließlich muss ich die Namen ja rufen können, ohne mich dabei jedes Mal in Grund und Boden zu schämen. Außerdem war ich besorgt, dass gleich eine ganze Katzenheerschar angaloppiert kommt, wenn ich mich auf den Balkon stelle und laut nach „Karlo“ und „Mohrle“ brülle. Schließlich wurde mir klar, dass es im Grunde eigentlich ganz egal ist, auf welchen Namen die Katzen letzten Endes nicht hören, und ich gab ihnen ganz schlichte, aber sehr einprägsame Namen – ich nannte sie Klaus und Walter.
Nach inzwischen knapp zwei Monaten Fel(l/d)zeit sehe ich einiges klarer. Zum Beispiel, dass einer der Kater rein gar nichts klar sieht. Das, was ich anfangs als Panik verbuchte, ist nämlich eine angeborene Sehschwäche. Klingt böse, ist aber relativ harmlos und sieht meistens sogar ziemlich lustig aus, wenn Walter erst fünf Zentimeter vor einen Hindernis selbiges bemerkt,  stutzt, dennoch weiterrennt und natürlich nicht mehr rechtzeitig anhalten kann. Oder wenn Klaus sich hinter einer Tür versteckt und den armen Walter mit einem gezielten Hechtsprung beinahe zu Tode erschreckt – das hatte er schließlich nicht kommen sehen. 
Ich hingegen hatte nicht kommen sehen, dass mich fortan ein schlechtes Gewissen plagen würde, wenn ich mich unbedacht (also in normaler, keineswegs raketenartiger Geschwindigkeit) durch meine Wohnung bewege. Meistens sitzt nämlich einer der Kater genau an der Stelle, die mitten in der Wohnung zwischen allen Zimmern liegt, die man von dort wunderbar einsehen kann. Möchte ich also den Raum wechseln, muss ich damit rechnen, zischend zurechtgewiesen und in die Flucht geschlagen zu werden, um mich dann in Folge dessen leise Entschuldigungen murmelnd, rückwärts und mit gesenktem Blick vorsichtig wieder von meinem eigentlichen Ziel zu entfernen. Immerhin scheint es mir nun sehr plausibel, dass Katzenbesitzer stets Selbstgespräche führend unterwegs sind.
Tatsächlich sind inzwischen deutliche Unterschiede in den aus den Katzen kommenden Tönen zu vernehmen. Klang das anfängliche Miauen eher schrill und ängstlich – vermutlich warnten sich die Kater vor mir und schrien etwas wie „Ah, Obacht, pass bloß auf, geh lieber nicht so dicht ran an diese komischen Riesin! Die führt nur Böses im Schilde, ich weiß es genau, sie will dich einfangen, du musst auf der Hut sein und jetzt lauf, LAUF, da kommt sie schon! – klingt es inzwischen eher interessiert und freundlich, heißt vermutlich so etwas wie „Oh, sieh nur, diese merkwürdige Menschin hat gerade unsere Näpfe gefüllt, weil wir so lustig gemaunzt haben und kurz mal niedlich taten, haha, zu schön, wie wir sie bereits nach so kurzer Zeit im Griff haben! Oooh, und schau mal, da liegt ein Ball, komm lass uns versuchen, ob wir den in den Wassernapf schießen können, das spritzt immer so schön und sie sieht lustig aus, wenn sie auf allen Vieren kniend versucht, alles wieder trocken zu legen!“ 
Im Übrigen bin ich inzwischen selbst Mitglied in sämtlichen Fell-Foren und kann für dämliche Fragen, unqualifizierte Antworten und selbst hochgeladenen Cat Content eifrig Bonustatzen sammeln, die ich dann, wenn ich utopisch viele zusammen habe, gegen quietschende Billig-Spielzeuge mit Federn eintauschen kann. Juchei. 
Des Weiteren lässt sich zusammenfassend feststellen:
  1. Ich kann meine Mitgliedschaft im Fitnessstudio kündigen. Ständiges Auf- und Ab, Hin- und Her und Möbelrücken, weil mal wieder eins der Biester unter dem Bett, hinter der Couch oder auf dem Regel verschwunden ist, sorgen für genug Bewegung und halten mich in Schwung und außer Puste.
  2. Seit dem Einzug der beiden benötige ich weder Wärmflasche noch Heizdecke. Egal, ob es sich um eine kleine Unterkühlung jahreszeitlich bedingter Temperaturen oder um eingeklemmte Nerven, Muskelkater oder Unterleibsschmerzen hormonellen Ursprungs handelt – einfach mit Hilfe eines Gürtels ein bis zwei Kater auf die entsprechende bzw. schmerzende Körperpartie schnallen und die wohltuende Katzenwärme (die normale Körpertemperatur einer Katze beträgt angenehme 38-39 Grad) lindert Beschwerden mit sofortiger Wirkung.
  3. Liebster Schlafplatz der beiden ist eine Bratpfanne. Klingt im ersten Moment komisch, vor allem ist es recht unglaubwürdig, dass sie tatsächlich freiwillig dort sitzen, ist aber gar nicht so schlecht. Kater im Wachstum fressen nämlich ungehemmt und immerzu, vor allem mir die Haare vom Kopf, so dass ich mich derzeit ohnehin von Haferflocken ernähre und die Pfanne selten bis gar nicht mehr zum Einsatz kommt. Immerhin spare ich auf diese Weise das Geld für ein flauschiges Katzenbett aus rosa Plüsch mit Pfötchen-Print, welches nicht nur dämlich aussähe, sondern vermutlich sowieso verschmäht werden würde, weil es sich immer noch am schönsten dort liegt, wo der Mensch eigentlich lieber keine Katze liegen hätte oder wo hinterlassene Katzenhaare besonders gut sichtbar sind.
  4. Katzen sind eine grandiose und durchaus glaubwürdige Begründung, warum man nachts nicht schlafen kann oder konnte. Diese reizenden und sehr eleganten Tiere haben nämlich einen sehr ausgeprägten Spieltrieb und verwandeln sich, bevorzugt nachts, wenn alles still und leise ist, in kleine Duracell-Monster, die mit elefantesquem Gepolter imaginären Fabelwesen hinterher jagen und selbige, unter lauten Fauchen und Zischen, bravourös zur Strecke bringen. Oder laut schreiend und die aberwitzigsten Kunststückchen aufführend versuchen, die Aufmerksamkeit und Gunst der heißen Mietze aus Haus 87 auf sich zu ziehen.
  5. Katzen sind das neue „Das war ich nicht, das war schon so, wirklich!“ Egal, ob ich meiner Tollpatschigkeit geschuldet gegen einen Tisch rannte und dabei sämtliche Getränke umwarf, ob mir die Ming-Vase, die mein Vater von seinem Vater von seinem Vater von seinem Vater erbte, aus den Händen fiel oder ich die Gießkanne auf dem Balkon umstieß – im Zweifel war es nicht ich, sondern einer der Kater. Eine solidere und glaubhaftere Begründung kann man sich nicht nur nicht ausdenken, es gibt sie schlicht und ergreifend nicht.
Ob es nun also angebracht ist, dass Katzeninhalte nahezu 7/8 des Internets ausmachen? Auch nach fünfwöchiger Studie vermag ich das nicht zu sagen. Was ich aber weiß ist, dass sie bereits 7/8 meiner Wohnung und 8/7 meines Herzens im Sturm erobert und eingenommen haben, und dass ich ihnen noch viel mehr, aber sie nicht mehr hergeben würde. Und dass ich bestimmt noch viel zu erzählen habe. 

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5 Kommentare

  1. Guter Beitrag zum Thema Stillen. Interessant, dass ihr 1000 Tage gestillt habt und die ersten 14 Tage du ununterbrochen an der Milchpumpe gehangen hast. Ich erwarte gerade auch mein erstes Kind, deshalb überlege ich, welche Milchpumpe ich mir zulegen soll.

  2. Liebe Judith, wie schön du es geschrieben hast, du sprichst mir aus dem Herzen! Ich stille nun seit 19 Monaten, egal wo ich bin, Familie, Freunde oder Fremde, stets muss ich mich rechtfertigen. Mein kleiner Mann ist sehr sensibel und bekommt so seine Sicherheit. Bin gespannt, wie lange wir diese „Still-Reise „ noch machen und solange Genies Ich noch die gemeinsame Nähe. Danke für die schönen Zeilen ❤️

    • Und ich danke dir für diesen lieben Kommentar, ich freue mich wirklich sehr darüber! Alles Liebe für euch!

  3. Liebe Judith, ich bin über deinen Abstillbericht gestolpert und wollte ein paar Worte hier lassen. Ich habe meine Jüngste, jetzt 4,5 Jahre alt, bis zum 4. Geburtstag gestillt. Und sie war echt noch süchtig. Sie ist ein picky eater und seitdem ernährt sie sich von 8-10 Lebensmitteln, zu denen nicht unbedingt Obst und Gemüse gehören. Das hat mich schon mehr gestresst als das Stillen. Und die unbeteiligten Beobachter hatten mir doch prophezeit, dass das Kind „nach dem Abstillen endlich essen wird“. Tut sie nicht. Und ich bedauere immer noch, gegen den Wunsch meiner Tochter abgestillt zu haben, sie ist seitdem viel häufiger und schwerer krank mit sehr hohem Fieber bei allen möglichen Keimen.
    Jedenfalls, du siehst, ich hadere nach einem guten halben Jahr immer noch und wünsche mir, dass jede Frau selbst bestimmen darf, ob und wie lange sie stillt. Ohne ungewollte Kommentare von völlig Unbeteiligten. Die einzigen, die es – wie bei euch beiden – regeln müssen, sind Mutter und Kind. Ich hoffe, dein Beitrag macht Müttern Mut, ihrem Bauchgefühl zu vertrauen.
    Liebe Grüße, Steffi

    • Liebe Steffi, tausend dank für deinen lieben Worte und das Teilen deiner Erfahrung. Hach, wenn es doch nur leichter wäre, auf das eigene Bauchgefühl zu vertrauen und sich nicht von den Worten anderer beeinflussen zu lassen, oder? Niemand steckt in deinen Schuhen, deiner Lage, kennt deine Familie so gut wie du selbst. Daher hoffe ich mit dir, dass viele Mütter (und Eltern) da draußen es schaffen, ein bisschen mehr auf die eigene Stimme zu hören.

      Alles Liebe für euch,
      Judith


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