Hah, diesmal, ne, diesmal wird alles ganz super. Und zwar gleich von Anfang an. Ist ja schließlich mein zweites Kind, ich hab ja schon eins gestillt, alles easy peasy, überhaupt kein Problem. Schließlich bin ich inzwischen ja Profi und hey, was soll denn schon schief gehen? Hab ich gedacht. Falsch gedacht. Aber ich fange am besten mal von vorne an.
Am Anfang war das Chaos
Dachte ich während der Schwangerschaft an die kommende Stillzeit, sah ich mich schon mit rosigen Wangen, locker zusammengesteckten Haaren, einer weiten, weißen Leinenbluse lächelnd im Bett sitzen, das hungrige Kind stillend, zufrieden. Aber es kam – wie immer – anders. Denn es klappte in dieser Hinsicht auch beim zweiten Mal wieder so gar nichts, also nahmen meine Verzweiflung zu und mein Baby ab. Um den Hunger des weinenden Kindes zu stillen und oberkörperesque nicht zu platzen, dockte man mich an Tag 2 an die elektrische Milchpumpe an und da blieb ich dann erst einmal.
Pump, feed, repeat
Die ersten drei Wochen meines Wochenbettes bestanden im Grunde nur aus pumpen, Fläschchen geben, sterilisieren und vielleicht mal kurz dösen. In Endlosschleife. Wieder und wieder. Harmonisch stillen? Fehlanzeige. Dafür ein ordentliches bisschen Babyblues und mein Wochenbett rauschte an mir vorbei, als sei ich in einer großen Wattebauschwolke gefangen. Klar war ich gleichzeitig glücklich und dankbar für mein gesundes, kleines, zweites Baby, aber rückblickend betrachtet hätte unser Start durchaus besser sein können. Zusammen mit meiner Hebamme übten und übten wir, bis wir nach drei Wochen nicht mehr weiter wussten und sie mir empfahl, eine Stillberaterin aufzusuchen.
Und so saß ich einige Tage später barbusig auf einer Couch in HH Rissen, lernte zum ersten Mal, wie man ein Stillhütchen RICHTIG benutzt und das Größe sehr wohl eine Rolle spielt. Das hatte mir im Krankenhaus nämlich niemand korrekt gezeigt, weder nach der ersten, noch bei der zweiten Geburt, und so war ich natürlich bislang nur so mittel zufrieden mit den Dingern. (Hier hab ich eine ganz gute Anleitung gefunden, aber am besten lasst ihr euch das von jemand kompetentem zeigen, dann sitzt es nämlich auch vernünftig, hält, läuft nicht aus und ist wirklich ein gutes Hilfsmittel.)
Manchmal braucht man scheinbar nur einen kleinen Schubs in die richtige Richtung oder jemanden, der nicht verurteilt, sondern versteht und hilft. Denn nur ein paar Tage nach meinem Besuch bei Gudrun von der Ohe wurden unsere Bemühungen endlich belohnt und das Stillen klappte immerhin mit Stillhütchen, bevor es dann kurz darauf sogar auch ganz ohne klappte. Bam, Baby!

Läuft bei uns
Ab diesem Moment gab es kein Halten mehr. Es lief und lief und wir stillen wie die Weltmeister. Leider blieben uns nur etwa zwei Wochen, bevor wieder Wolken aufzogen, dicke, dunkle Wolken, die uns das Leben ganz schön schwer machten. Unser bis dahin sehr „unterwegses“, aber immerhin meistens schnell zu beruhigendes Baby ließ sich nämlich plötzlich gar nicht mehr beruhigen und schnell war klar: Unser Baby ist das, was man Schreibaby nennt. (Schreibaby, ein furchtbarer Begriff, oder? High Need Baby, Kind mit besonders starken Bedürfnissen, sehr liebebedürftiges Baby, 24h-Baby, irgendwie klingt das doch alles grottig.) Grottig, ja, das war unsere Situation auch. Bald gingen wir förmlich auf den Zahnfleisch, unsere Nerven zum Zerreißen gespannt, sämtliche Energie verbraucht. Das Stillen klappte weiterhin bestens, zum Glück, denn es war der einzig verlässliche Weg, unser unruhiges, weinendes, kleines Baby mit den großen Bedürfnissen einigermaßen zu beruhigen.


Wir perfektionierten das Stillen, waren komplett auf einander eingeschossen und eigentlich hing das Baby fast ununterbrochen an meiner Brust. Wir stillten
- am Tag und in der Nacht
- im Sitzen, Stehen, Liegen und Gehen
- zuhause
- unterwegs
- in der Trage
- auf Spielplätzen
- und eigentlich überall und immerzu.
Dann kam unsere große Reise, das mittlerweile sieben Monate alte Kind verweigerte inzwischen fast jedwede feste Nahrung und so stillten wir, wenn das überhaupt möglich ist, noch mehr als zuvor. Wir stillten
- in insgesamt 13 deutschen Bundesländern
- auf der Autobahn über den Max Cosi gebeugt
- auf einem Kahn im Spreewald
- neben der Rakotzbrücke
- auf der Bastei im Elbsandsteingebirge
- in der alten Straßenbahn in Bad Muskau
- neben der Elbe
- auf der Elbe
- auf dem Königssee und am Ufer des Obersees
- in Seilbahnen
- auf Brücken
- im Regen, bei Sonne und allem dazwischen
- auf öffentlichen Plätzen
- in ruhigen Wäldern
- am Blautopf
- in Tierparks
- im Heidelberger Schloss und in der Bergbahn auf den Königstein
- im Märchenparadies
- in Weinbergen
- am Fuße der Wartburg
- und bestimmt noch an drölfzig anderen Orten und Sehenswürdigkeiten, die mir jetzt auf die Schnelle nicht einfallen wollen.

Wir stillten uns quasi einmal quer durch Deutschland, und ja, ich weiß, andere Babies stillen auch viel. Aber sie hören auch meistens wenigstens hin und wieder mal damit auf. Meins lieber nicht, dafür biss es mir mit acht Monaten, Zahn vier und fünf sei Dank, ein kubikmillimeter-großes Loch in die Brustwarze. Einmal mehr rettete mir Gudrun von der Ohe das Leben, diesmal mit Wollfett und einem „Sockendonut“ (Spitze einer alten gewaschenen Socke abschneiden, den Rest aufrollen und als Schutz um die Brustwarze in den BH legen). Die Drohung, auf der Stelle abzustillen, verlief im Sande.



Schlafen wird überbewertet
Die Wochen vergingen und das Kind beschloss, den Schnuller fortan lieber blöd zu finden. Es suchte sich klammheimlich einen adäquaten Ersatz dafür: mich. Tagsüber gab es inzwischen viel zu entdecken, da fiel das gar nicht so auf. „Und hey, sei doch froh, so musst du den später nicht abgewöhnen.“ Ähm, ja, voll gut und so. Nur leider brachte das tolle „Später-nicht-abgewöhnen-müssen“ mit sich, dass das Kind nachts im Dreiviertelstundentakt aufwachte und seinen Schnullerersatz verlangte. Ihr ahnt es schon: mich. Wenn es gut lief, ließ er mal eine Taktung aus und wir brachten es auf 1,5h am Stück, aber es gab unzählige Nächte, in denen das nicht gelang und so waren 10, 15 „Einsätze“ vom Schlafengehen bis zum Aufstehen keine Seltenheit.

Viele Wege führen nach Rom
Ich ging regelmäßig in die „von der Ohe’sche“ Stillgruppe und wir suchten immer wieder nach neuen Möglichkeiten, unsere Nächte ein bisschen erholsamer zu gestalten. (Super zusammengefasst beim gewünschtesten Wunschkind) Kurz nach dem ersten Geburtstag versuchte ich dann auch die Gordon-Methode zum sanften (nächtlichen) Abstillen, die beim Großen super funktioniert hatte. Aber auch da – Pustekuchen. Der Wille und die Lautstärke meines Sohnes waren schlichtweg größer als meine Kraftreserven und ich verschob diesen Kampf erneut nach hinten.

Kein Schlaf ist auch keine Lösung
Ein paar Wochen und etwa zwei Stillgruppen später kam ich wieder an den Punkt, an dem ich meine Augenlider ohne Hilfe nicht mehr aufhalten konnte. Da die sanften Methoden bei uns keinen Erfolg brachten, entschied ich mich nach langer Überlegung für das Aushalten. Er sollte Aushalten, dass ich nachts nicht mehr stillen wollte und ich, dass er damit ein riesiges Problem haben würde.

Mehr Schlaf für alle – Das Stillen vom Schlafen entkoppeln
So ging es eine Handvoll Nächte weiter, häufiges Aufwachen, aber (relativ) schnell wieder einschlafen. Dann gelang es mir erst, ihn irgendwann abzulegen, wenn er in meinen Armen eingeschlafen war, und plötzlich schlief er alleine wieder ein, neben mir, einfach so.
Edit: Ich werde oft gefragt, warum ich das den Papa nicht hab machen lassen und mich in der Zeit nicht ausquartiert habe. Klar wäre das auch eine Möglichkeit gewesen, bestimmt hätte es irgendwie auch funktioniert. Und mein Mann wollte so gern helfen. Aber das wär mir nicht richtig vorgekommen, ich hatte richtig Bauchschmerzen bei dem Gedanken daran. Schließlich ist es mein Wille, meine Entscheidung, die der Kleine hier mit tragen muss. Ich wollte dann auch – oder gerade deswegen – ganz besonders für ihn da sein und das mit ihm gemeinsam „durchstehen“, ihn nihct im Stich lassen, mich nicht verdrücken. Ich wollte ihm zu seinem geliebten Stillen nicht auch noch seine Hautbezugsperson nehmen – mich. Für uns war das so definitiv der richtige Weg.
Edit 2: Ich habe gerade einen ganz wunderbar passenden Artikel bei Susanne auf geborgen wachsen entdeckt. Lieben Dank, Susanne, dein Timing war wirklich perfekt!

Schlaf, Kindchen, schlaf
- Ca. 19-19:30 ist Bettgehzeit
- Schlaf bis irgendwann zwischen 1:30-3:00h
- Weiterschlafen ohne zu stillen bis ca. 5:30h
- Stillen und weiter schlafen bis etwa 6:30h
- Tagsüber und vor dem zu Bett gehen stillen nach Bedarf (den er sehr deutlich anmeldet)
In den ersten zwei Wochen haben wir das Schlafen und Stillen komplett entkoppelt, also gar nicht mehr im Schlafzimmer oder gar Bett gestillt. Inzwischen haben wir das wieder ein bisschen gelockert, seit ein paar Tagen ist das Stillen gegen halb sechs sogar wieder ein Einschlafstillen, was wir beide total genießen. Ende gut, alles gut?

… und wenn es nicht gut ist, ist es nicht das Ende

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