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Mein erstes Mal
Tag 1

„Ach Du Schreck“ denkst du, als du gefragt wirst, und „Nie im Leben wird das was.“ Deine Hände werden feucht und du bist schlagartig aufgeregt, stehst auf, gehst zum Fenster, trinkst einen Schluck Kaffee und blinzelst in die Sonne. Viel Zeit ist das nicht, was sind schon vier Tage, aber eigentlich… müsste das doch zu packen sein? Du weißt, dass das Schreiben dir eigentlich nicht schwer fällt, auch wenn du bisher nur Tagebuch geschrieben hast, unzählige, nie abgeschickte Briefe und die Rede für die Hochzeit deiner Schwester. Du gehst im Zimmer auf und ab, bildest dir ein, darüber nachzudenken, ob du es tun sollst oder besser lässt, aber du hast die Entscheidung längst getroffen. Du wirst ihn schreiben, diesen Text, der seit geraumer Zeit in deinem Kopf umherfliegt. Deine Nerven sind wachgekitzelt und eigentlich kannst du es kaum erwarten, deine Gedanken endlich auf Papier zu bringen.  Aber noch nicht jetzt, nicht gleich, du hast ja noch vier Tage.

Tag 2
Du musst dem Kind einen Namen geben…  Also legst du eine neue Datei an, benennst sie sorgfältig und speicherst sie direkt auf dem Desktop – schließlich wirst du in den nächsten Tagen und Stunden viel Zeit mit ihr verbringen. „Gedankenspielplatz_1“.  Da liegt es nun, das leere Blatt, das beschrieben werden möchte, ganz unberührt. In deinem Kopf schwirren Satzfetzen umher, aber sie lassen sich nicht fassen, nicht ordnen. Ganze Abschnitte hast du dir schon zurechtgedacht, aber nichts ist so schwer wie das erste Wort zu finden.  Strom. Du brauchst dringend Strom, nicht, dass mittendrin der Akku seinen Geist aufgibt und das ganze Werk hinüber ist, du nochmal von vorne anfangen musst. Wenn du dich nur erinnern könntest, wo dieses verdammte Ladekabel ist… Du kannst es nicht finden, aber bei deiner Suche danach fällt dir auf, wie unordentlich dein Schreibtisch ist. Überhaupt, die ganze Wohnung müsste dringend mal wieder geputzt werden, sicherlich findet sich dabei auch dieses verflixte Kabel wieder an. Und wann hast du eigentlich zum letzten Mal deinen Kleiderschrank aufgeräumt?

 
Tag 3
Du bist nervös. Zwei Tage hast du schon vertrödelt, die Wohnung glänzt, dein Schreibtisch ist so ordentlich wie der eines Arbeitszimmers in der Möbelausstellung und frischen Kaffee hast du dir auch gekocht.  Du starrst auf den Bildschirm, tippst Worte und löschst sie wieder, bevor sie zu Sätzen werden können. Irgendwie ist dir schlecht. Du hast Angst, zu versagen, den Text nicht rechtzeitig fertigzustellen und wenn doch, dass er nicht gefällt. Dass keiner versteht, was du eigentlich sagen möchtest und niemand die Bilder sieht, die du mit Worten zu malen versuchst. Mittlerweile bist du nicht mal mehr sicher, ob es eine gute Entscheidung war, den Text zu schreiben. Auf was hast du dich da bloß eingelassen?  Struktur. Du bist davon überzeugt, dass alles viel leichter wäre, wenn du nur eine Struktur hättest. Also beginnst du zaghaft, deine Gedanken zu sortieren. Erst fließen sie ganz zögerlich, auf einmal immer schneller. Ganz versunken schreibst du, schreibst einfach alles auf, was dir durch den Kopf geht, reihst Wort für Wort und Satz für Satz aneinander und füllst Seite um Seite. Als der Kaffee längst kalt und der Tag fast vorüber ist, sind alle Gedanken auf Papier gebannt und du bist fertig, du hast deinen ersten Text geschrieben und es fühlt sich gut an.
 
Tag 4
Der Tag der Abgabe. Du schaltest den Rechner ein, liest deinen Text noch einmal durch und merkst, wie in dir ein Anflug von Panik aufsteigt. Du hast das Gefühl, als wäre der Text nicht fertig, als würde ein entscheidendes Detail, das entscheidende Detail, fehlen. Du beginnst, Sätze und ganze Passagen umzustellen, Worte auszutauschen und zweifelst. Du spielst sogar mit dem Gedanken, alles  zu verwerfen und von vorn zu beginnen.  Mut. Was dir fehlt, ist der Mut, den Text zu mögen und ihn abzuschicken. Ihn ab- und dich damit einem fremden Urteil auszuliefern. Du stehst auf, gehst zum Fenster, trinkst einen Schluck Kaffee  und blinzelst in die Sonne. Fasst neuen Mut und gehst zurück zum Schreibtisch. Und dann schickst du ihn ab, deinen ersten Text. Und es fühlt sich gut an.
 
Tag X
Unendliche lange Wochen sind vergangen, als es an der Tür klingelt und der Postbote dir ein geschnürtes Paket überreicht. Du ahnst, um was es sich handelt, unterschreibst den Empfang und legst das Paket auf deinen Schreibtisch. Da liegt es, druckfrisch, und wartet nur darauf, von dir geöffnet zu werden.  Kaffee. Mit einem Kaffee hat es angefangen und soll auch damit enden. Du gehst in die Küche und bereitest alles vor, gehst zurück zum Schreibtisch und öffnest das Paket. Du nimmst eines der Exemplare, gehst zum Fenster und blinzelst in die Sonne. Dann trinkst du einen Schluck Kaffee und schlägst es auf, das Magazin, suchst die Seite, auf der er zu finden ist, schwarz auf weiß, dein erster Text. Du liest ihn dir durch, lächelst, blinzelst wieder in die Sonne und es fühlt sich gut an.
 
Juni 2010

Liebst,

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Oh hi, Depression – eine Diagnose kommt selten allein

Oh hi, Depression – eine Diagnose kommt selten allein

Da steht sie plötzlich, schwarz und fett auf einem blassrosa Papier, die Tinte ein bisschen verschwommen. Eine Abkürzung, die mir die Tränen in die Augen schießen lässt – genau jetzt und unzählige Male in der letzten Zeit, immer wieder, ungebremst rückwärts bergab und keine Chance, die Bremse zu ziehen.

F32.2 steht da nun, der ICD-10 Code für „schwere depressive Episode“. Schwarz. Und fett. Auf blassrosa Papier. Die Tinte ein bisschen verschwommen. Wie das, was F32.2 mit mir macht. Der Grund dafür, dass ich mich in den letzten Wochen so elend fühlte. Und gleichermaßen die Erklärung, warum ich zu kraft- und machtlos war, auch nur ansatzweise etwas dagegen zu tun. „Die schlechte Laune“ in den Griff zu bekommen, mich mal „n bisschen zusammenzureißen“. Hab an mir gezweifelt, bin an mir verzweifelt und hab einfach immer noch ein bisschen mehr gegeben. Hab mich infrage gestellt, mir mein Empfinden verboten und mich selbst verloren zwischen „Lächel doch mal, ist doch halb so wild“!, „Läuft doch bei dir, du hast, was du brauchst!“ und „Glaub ich nicht, du bist doch fröhlich und stark“.

Ich hab’s ja nicht mal gemerkt. Hab’s nicht gesehen, nicht hingeschaut. War zwar hart gestresst und irre erschöpft, aber zugeben? Niemals. Ich doch nicht, ich muss funktionieren. Ist doch halb so wild, ich hab doch, was ich brauche. Vielleicht fiel mir das Aufstehen schwer, noch ein kleines bisschen schwerer als sonst. Und das Anfangen, das Dranbleiben. Das Aufhören? Erst recht. Und das Gefühl? War zu gewohnt, ein alter Bekannter, schon oft zu Besuch. Also Tunnelblick-Modus, mit Scheuklappen auf. Weil, mit Augen zu, ist das Monster doch weg?

Nun, ist es nicht, ob ich will oder nicht, sitzt groß und schwer auf meiner Brust. Lässt mich nicht atmen, lähmt mich, erdrückt mich förmlich mit seiner Last. 

Doch ich hab’s jetzt entdeckt, sein Versteck ist bekannt. Ich hab’s ausgehoben, das Biest erkennbar gemacht. Ich kenne seinen Namen, seine Gestalt, seinen Plan. Und den werde ich durchkreuzen, irgendwann. Nicht heute und nicht morgen, aber dass, das ist klar. Und irgendwann bin ich dann wieder da. Und was mich trägt, ist die Hoffnung darauf. Ich bin zwar gefallen, doch ich steh wieder auf.

Liebst,

It's okay to be not okay. Ok. I am not.

It's okay to be not okay. Ok. I am not.

It’s okay to be not okay.
Ok. I am not.

Das Meer ist ganz ruhig, ganz glitzernd und spiegelt, es schwimmt sich ganz easy, routiniert geht’s voran.

Von Strömungen, die sich da langsam aufbauen und heimlich ganz stark werden, merkt man vorerst nichts. Nur vielleicht, dass man plötzlich ein bisschen mehr Kraft braucht, um das Tempo zu halten, das man sonst von sich kennt.

Man kommt weiter gut vorwärts, glaubt: Man, ach, das geht schon! Denn irgendwie geht es ja weiter voran. „Ich stell mich nur an grad, ich bin einfach müde, dann geht es heute eben bisschen früher ins Bett.“

Dass die Strömungen inzwischen Strudel wurden, die alles gierig und stark alles in den Abgrund ziehen, die reißen und tosen, die wüten und rauschen, das bleibt verborgen, das sieht man schlicht nicht.

Man schwimmt einfach weiter, mehr Kraft noch, das geht schon, das Meer scheint doch ruhig und der Himmel noch blau. Doch der Strudel, der wildert beharrlich nach unten, mehr Kraft noch, mehr Sog folgt, dann zu viel und zu laut.

Bis man – viel zu spät dann – endlich realisiert, dass gar nichts mehr rund läuft und man nicht mehr kann.

Blöd nur, dass die Kraft da schon lang nicht mehr ausreicht, um zurück zu kommen und nicht unterzugehen.


Warum ich das schreibe, das öffentlich mache? 
Weil ich nicht okay bin.
Und das ist okay.

Und weil’s mir so schwerfällt, darüber zu sprechen, weil ich das schlichtweg einfach (noch) nicht so gut kann. Doch es musste mal raus jetzt und es scheint so viel leichter, die Worte zu schreiben, die ich nicht aussprechen kann. Sie mir einzugestehen und sie mir zu erlauben, das ist ein Anfang. Der Weg ist lang, doch das Ziel ist das Ziel. Und wenn ich da ankommen, dann will ich wieder ich sein. Und wieder ich werden? Da arbeite ich jetzt dran.

Liebst,

Auch das noch: Ich hab AD(H)S als Erwachsene

Auch das noch: Ich hab AD(H)S als Erwachsene

Keine Ahnung, ob du es vielleicht schon bei Instagram verfolgt hattest oder ob das hier jetzt komplett neu ist: Ich habe AD(H)S, das erst kürzlich bei mir diagnostiziert wurde.. Ein bisschen was habe ich schon dazu erzählt und geschrieben, aber irgendwie ist das nicht nur ein Thema für Instagram, sondern auch für hier  und ich glaube, deswegen werde ich jetzt nach und nach auch auf meinem Blog darüber schreiben. 

Pünktlich zum Mental Health Day am 10. Oktober war es jedenfalls so weit: Wochenlang hatte ich überlegt, ob ich in der Öffentlichkeit überhaupt darüber sprechen möchte, und plötzlich war es ganz klar: Die Zeit des Versteckens muss vorbei sein, wir müssen über Dinge sprechen, wenn wir sie ändern, wenn wir sie enttabuisieren wollen. 

Seit immer schon versuche ich, meine „Schwächen“ zu verstecken, meine „Makel“ und Eigenschaften, die ich mir immer weggewünscht habe und ständig versucht, zu maskieren. Ich hab weder über den Burnout gesprochen, der mich vor etwa 10 Jahren in die Knie zwang, noch über die Therapien, die ich gemacht habe, geschweige denn von all den anderen Dämonen, mit denen ich hin und wieder kämpfe.

Und auch meine neuste „Errungenschaft“, AD(H)S – spätdiagnostiziert im Erwachsenenalter – wollte ich erst weder wahrhaben noch darüber reden. Ich weiß seit einer kleinen Weile, dass ich ADHS habe. Irrsinnig viel erklärt sich dadurch, und dennoch ist es noch schwer zu fassen. Ich stehe am Anfang, aber ich bin auf dem Weg. Und ich werde drüber sprechen. Weil endlich Schluss sein muss mit dem Maskieren – und zwar in jegliche Richtung.

Und jetzt entschuldige mich, mein Mutausbruch macht mir Angst, ich muss mir mal kurz die Decke über den Kopf ziehen. 🙈

Falls du jetzt aber Lust  bekommen hast, mehr darüber zu hören, dann here some good news. Wir haben für den Mamsterrad-Podcast mit den AD(H)S-Expertinnen Dr. Ismene Ditrich, Fachärztin für Psychologie und Psychiatrie, und Dr. Christa Koentges, Psychologin und Psychotherapeutin, über AD(H)S im Erwachsenenalter und insbesondere bei Frauen gesprochen. Die ganze Podcastfolge gibt es hier:

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Weitere Informationen

Wenn dich das Thema „AD(H)S im Erwachsenenalter“ interessiert, habe ich hier noch ein paar wirklich tolle Buchtitpps für dich:

„Die Welt der Frauen und Mädchen mit AD(H)S“

Frauen und Mädchen mit AD(H)S erhalten viel seltener eine Diagnose als Männer und Jungen, denn ihre Symptome fallen weniger stark auf: Betroffene Frauen und Mädchen sind weniger hyperaktiv, dafür verträumt, unaufmerksam und vergesslich. Die zu späte oder fehlende Diagnose kann weitreichende Folgen haben: Der Leidensdruck bleibt meist über Jahrzehnte bestehen, schadet ihrem Selbstwertgefühl und zieht Folgeerkrankungen nach sich.

Die vier Expertinnen der Freiburger Arbeitsgruppe AD(H)S leisten in diesem Buch wichtige Aufklärungsarbeit für Frauen mit AD(H)S sowie für Eltern betroffener Mädchen. Mit vielen Einblicken aus der Forschung, Fallgeschichten, Reflexionen und Übungen zur Selbsthilfe zeigen sie konkrete Wege auf, wie Betroffene mit ihrer Besonderheit Frieden schließen, ihre vielen Stärken entdecken und gut mit AD(H)S leben können.

BUCH BESTELLEN*

„Hirngespinste: Mein Leben mit ADHS“

Sätze wie „Ein bisschen ADHS hat doch jeder.“, „ADHS gibt es doch gar nicht.“ oder „ADHS haben doch nur kleine Jungs.“ gehören für Lisa Vogel zum Alltag. Wie es ist, als erwachsene Frau mit ADHS zu leben, welchen Vorurteilen man ausgesetzt ist und was im Alltag hilft, davon handelt dieses Buch.

Lisa räumt mit Mythen rund um die Stoffwechselstörung im Gehirn auf. Denn nicht jede/r mit ADHS ist ein zappeliges Kind, schlecht in der Schule oder auffällig im Erwachsenenalter. Mit ihrer späten Diagnose begann ihre Reise zu sich selbst, aus der ihr Wunsch erwuchs, andere auf dieser Reise zu begleiten, ihnen Verständnis zu schenken und sie vor Selbstzweifeln zu schützen.

Aktuelle Erkenntnisse und Studien zum Thema ADHS bei Erwachsenen runden das Buch ab.

BUCH…

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